Faktencheck: Unser Fleischkonsum und der Hunger auf der Welt
Auf Fleisch zu verzichten, um damit den Hungernden auf der Welt zu helfen, geht von falschen Annahmen aus. Eine Reduzierung des Fleischkonsums in den Industrieländern hätte kaum Auswirkungen auf die globale Ernährungssituation. Gegenwärtig werden weltweit rechnerisch ausreichend Nahrungsmittel produziert, so dass bei einer ausgeglichenen Verteilung niemand Hunger leiden müsste. Die Gründe für Hunger
sind vielschichtig: sie reichen von Armut und Naturkatastrophen über Kriege, Krisen und Konflikte bis hin zu Korruption, schlechter Regierungsführung und ungerechter Landverteilung in den betroffenen Ländern. Die Ernährung global zu verbessern ist sehr komplex. Der Welthunger kann nicht einfach
durch eine Einschränkung des Fleischkonsums bekämpft werden, sondern allenfalls durch die Lösung des Verteilungsproblems
und durch eine systematische Förderung der Landwirtschaft zur Steigerung der Agrarproduktion.
Fakten:
verborgenem Hunger, einem Mangel an lebenswichtigen Vitaminen, Mineralstoffen und Aminosäuren, der besonders bei Kleinkindern zu schwerwiegenden und dauerhaften Schäden führt. Der größte Teil der hungernden und unterernährten Menschen lebt in den Entwicklungsländern, vor allem in Asien und Afrika, südlich der Sahara. Dort werden durchschnittlich weniger als 10 kg Fleisch pro Kopf und Jahr verbraucht. Experten der FAO betonen die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung, zu der in auch tierische Produkte gehören. Es ist gesundheitlich vorteilhaft, wenn etwa ein Drittel der täglich erforderlichen Proteinmenge aus tierischer Herkunft stammt.
Nach Schätzung der FAO muss die Agrarproduktion bis 2050 um mehr als 70 % gesteigert werden, um weltweit die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln sicherstellen zu können.
Die Agrarproduktion ist stark abhängig von natürlichen Ressourcen wie der Ackerfläche und dem Wasser, die weltweit zunehmend knapp werden. Deswegen müssen innovative Ansätze für eine ressourcenschonende Angebotssteigerung entwickelt und umgesetzt werden. Eine nachhaltige globale Ernährungssicherheit lässt sich nur erreichen, wenn wir offen gegenüber Technologien sind und uns auf hohe Produktivität und Effizienz in der Agrarwirtschaft konzentrieren. Wir können die Welt von morgen nicht mit den Technologien von gestern ernähren
, erklärt Aalt Dijkhuizen vom Forschungszentrum Wageningen in den Niederlanden. In den letzten 60 Jahren haben verschiedenste landwirtschaftliche Neuerungen Landwirte befähigt, mehr zu produzieren und trotzdem besser für die Tiere zu sorgen und die Umweltauswirkungen zu verringern.
Konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Welthungers:
- Einsatz angepasster Sorten und besserer Abbaumethoden insbesondere in Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Osteuropas. Durch den strategischen Einsatz von Bewässerung, Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln und Agrartechnik ließe sich die Nahrungsmittelproduktion um fast 60 % steigen.
- Auch die Tierzucht kann wesentliche Beiträge zur Effizienzsteigerung leisten z.B. durch eine verbesserte Futterverwertung, eine stabilere Gesundheit und eine erhöhte Widerstandfähigkeit der Tiere gegen Krankheiten
- Durch eine Verbesserung der Transport- und Lagerbedingungen ließen sich der Verderb und die Entsorgung von einem Drittel aller Lebensmittel vermindern (Nachernteverluste) und die Verfügbarkeit von Kalorien pro Person um fast 50 % steigern. Würden alle Ernte- und Transportverluste von Lebensmitteln durch moderne Lastwagen, Kühlhäuser und Straßen verhindert, müsste derzeit kein Mensch auf der Welt mehr hungern, rechnen die Vereinten Nationen vor.
- Nahrung sollte da produziert werden, wo es wirtschaftlich gesehen günstiger und nachhaltiger ist und dann dorthin geliefert werden, wo der Bedarf besteht.
Fakten: Verzerrte Argumentationskette Weniger Fleisch => weniger Futtermittel => mehr Nahrung für die Menschen
Die Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Mensch und Tier ist ein oft diskutiertes Thema. Selbst wenn die Nachfrage nach Futtermitteln durch weniger Fleischkonsum sinken würde und damit theoretisch mehr pflanzliche Nahrungsmittel für Menschen zur Verfügung stünden, wäre noch nicht garantiert, dass damit auch wirklich hungrige Mägen gefüllt werden. Es fehlt grundsätzlich nicht am Nahrungsmittelangebot. Selbst bei weltweit ausreichender Verfügbarkeit haben viele Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln, weil sie zu arm sind, um dafür bezahlen zu können. Deshalb würden wohl viele der Pflanzen, die nicht mehr als Futter gebraucht würden, nicht als Nahrung für Menschen angeboten, sondern überhaupt nicht mehr angebaut werden. Armutsbekämpfung muss deshalb ein zentraler Ansatzpunkt für die Ernährungssicherung sein.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Futterverwertung der Nutztiere stark verbessert hat: Benötigte man früher 10 kg Futtergetreide für 1 kg Schweinefleisch, reichen dafür heute meist etwa 2,5 kg aus. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Mensch viele tierische Futtermittel nicht für seine Ernährung nutzen kann und Tiere häufig auch mit Reststoffen – z.B. Schrot aus der Sojaölherstellung – gefüttert werden. Auch wird das Grünland, das oft nicht als Ackerfläche nutzbar ist und rund 70 % der globalen Nutzfläche ausmacht, über den Pansen der Wiederkäuer zu Fleisch veredelt und durch die Tiere erhalten – diese Nutzung stellt folglich keine Nahrungskonkurrenz für uns Menschen dar.